Politik

Die Baath-Partei 

Im Jahr 1963 putschte sich die Arabisch-Sozialistische Baath-Partei (Partei der Wiedererweckung) an die Macht. Die Partei vertritt nationalistische und sozialistische Prinzipien. Ihr Hauptmotto «Einheit, Freiheit, Sozialismus» richtet sich gegen Kolonialismus und Imperialismus. 

Nach der Vereinigung der Baath-Partei (gegr. ungefähr 1946) mit Akram Hauranis Arabisch-Sozialistischer Partei strebte die Baath-Partei den Aufbau von Regionalparteien in den arabischen Ländern an. Gründer der Partei waren Michel Aflaq und Salah Bitar, beide aus Damaskus. 

1966 erfolgte ein weiterer Putsch durch die Linksbaathisten, nachdem sich die Baath-Partei in einen moderaten und einen linken Flügel gespalten hatte. Michel Aflaq flüchtete nach Bagdad. Es gab nun in Damaskus und Bagdad zwei separate Parteien. Die Partei wurde wie die Parteien in der Sowjetunion und den Warschauer-Pakt-Staaten aufgebaut: unter Führung der Baath-Partei wurden alle anderen Parteien in einer gemeinsamen Front eingebunden. Die Partei beherrschte die Massenorganisationen wie die Gewerkschaft, die Studentenorganisation und den Bauernverband. 

Da die Gründer das Land nach der Spaltung verlassen hatten, beriefen sich die syrischen Baathisten nun auf Zaki al-Arsuzi. Arsuzi war ein Nationalist aus Antakiya, der 1939 die Kämpfe gegen die Politik der französischen Kolonialmacht geführt hatte, die, mit anschließender Billigung des Völkerbundes, den Sandschak Alexandrette (heute die Provinz Hatay) den Türken überlassen hatten. Damit hatten sie zu verhindern versucht, dass die Türkei an der Seite Deutschlands in den Krieg zog. Arsuzi ging nach Damaskus, trat aber nie in die Partei ein.

Die Partei leitete seit ihrem Putsch von 1963 eine weitere Agrarreform ein und legte im Agrargesetz Nr. 88 die Eigentumshöchstgrenze bei bewässerten Böden und unbewässerten Böden fest. 

Unter den Linksbaathisten begann dann ab 1966 die Revolution von oben: mehr staatliche Entwicklungsprogramme, Ausweitung der Verwaltung sowie des Bildungs- und Gesundheitswesens und der verstärkte Aufbau von Industrien. 

1970 war ungefähr 88 Prozent des konfiszierten Anbaulandes vom Staat übernommen worden, an die Bauern wurden jedoch nur 33 Prozent verteilt. Elektrizitätswerke, die Textil- und Nahrungsmittelindustrie sowie die chemische Industrie wurden verstaatlicht. Die Macht der großen Latifundien konnte zwar gebrochen, die Bauern aber nicht mobilisiert werden; die mittleren Landbesitzer wurden gestärkt, es gelang aber nicht, funktionierende Kooperativen aufzubauen. 

Nach der israelischen Eroberung der Westbank und Ostjerusalems im Krieg von 1967 trafen weitere palästinensische Flüchtlinge in Jordanien ein. Aber auch alle politischen Organisationen der Palästinenser ließen sich dort nieder, so dass es über kurz oder lang zum Konflikt kommen musste. In der Aktion Schwarzer September ging das jordanische Militär 1970 gegen die Palästinenser vor. Die Linksbaathisten rückten von Syrien her mit Panzern gegen das jordanische Militär vor, um die Palästinenser zu unterstützen. Als Staats- und Ministerpräsident Nureddin al-Atassi dem Luftwaffenchef Hafis al-Assad befahl einzugreifen, führte dieser einen erneuten (unblutigen) Putsch durch. 

Die Assad-Familie übernimmt das Land 

Nach dem Putsch von Hafis al-Assad mussten sich die linken Parteien in die Nationale Fortschrittsfront unter Führung der Baath-Partei einreihen. Wer dies ablehnte, ging in den Untergrund. Ende der siebziger Jahre folgte die heftigste Phase des Kampfes gegen die Kommunisten und die Muslimbrüder.  

Den verheerendsten Anschlag verübte die den Muslimbrüdern nahe stehende Kämpfende Garde am 16. Juni 1979 in Aleppo, bei dem 83 alawitische Kadetten starben. Das Regime baute daraufhin seinen Sicherheitsapparat aus. Hafis al-Assads Bruder Rifaat leitete die 20.000 Mann starke Staatssicherheitstruppe, die sogenannten Verteidigungsbrigaden, in der hauptsächlich Minderheiten – Alawiten, Christen, Kurden – organisiert waren. Die Bewegungsfreiheit wurde im ganzen Land noch weiter eingeschränkt, willkürliche Straßenkontrollen wurden zunehmend zur Regel. Der Höhepunkt der Repression stellte die Niederschlagung des Aufstands der Muslimbrüder 1982 in Hama dar. Die Anzahl der Getöteten wird auf zwischen 10.000 und 40.000 geschätzt.

Seit dem Jahr 2000 regiert Baschar al-Assad mit eiserner Hand in Syrien. Der zunächst als Hoffnungsträger geltende Augenarzt führte Syrien in einem verheerenden Bürgerkrieg, so dass Syrien unter seiner Regentschaft seit 2011 eine der blutigsten Phasen seiner Geschichte durchlebt. Obwohl Baschar seit seiner Vereidigung Syrien mit eiserner Hand regiert, verliert er zunehmend die Kontrolle über das Land. Den Aufstand von 2011 hatte er brutal niederschlagen, der daraus resultierende Krieg hat mehr als 500.000 Todesopfer gefordert. 

Staat und Verwaltung 

Politisch und ideologisch stützt sich das Assad-Regime vor allem auf Panarabismus, Sozialismus. Wobei letzteres in der neuen Verfassung von 2012 keine Erwähnung mehr fand. Darüber hinaus ist das Land geprägt von einem vielschichtigen Patronagesystem durchspickt. Neben der Unterstützung Russlands, des Irans und Chinas spielen die syrischen Sicherheitsdienste (mukhabarat) eine zentrale Rolle bei der Stabilisierung der Herrschaft des Regimes. Im Wesentlichen bestehen die mukhabarat aus drei Hauptdiensten des General Intelligence Directorate (GID), des Military Intelligence Service (MIS) und des Air Force Intelligence Service (AIS oder AFI). Sie unterstehen dem Präsidenten, der die Kompetenzen des jeweiligen Dienstes festlegt und die Aktivitäten der rivalisierenden Dienste kontrolliert.  

Die Arabische Republik Syrien kann als präsidiale Republik mit sozialistischem Charakter verstanden werden. Der Präsident hat zwar die Exekutivgewalt, was aber nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass die Implementierung von Gesetzen vom Konsens der politischen Kernelite abhängt. Da Baschar al-Assad, der Sohn von Hafis al-Assad, im Jahr 2000 zu jung war, als er die Erbfolge antreten sollte, wurde kurzerhand die Verfassung für ihn maßgeschneidert und das Mindestalter des Präsidenten auf 34 Jahre herabgesetzt. Die konnte nur erfolgreich geschehen, weil enge Vertraute Hafez al-Asads, die am Weiterbestehen des Status Quo und der Sicherung ihrer herrschaftspolitischen Privilegien interessiert waren, die Machtübertragung ermöglichten. Seitdem ist Baschar auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte und Generalsekretär der Baath-Partei. Er ernennt Stellvertreter und Minister und hat legislative Vollmachten mit Vetorecht gegen parlamentarisch beschlossene Gesetze, das aber mit 2/3 Mehrheit überwunden werden kann. Verfassungsänderungen bedürfen seiner Zustimmung und er ernennt Mitglieder des Obersten Verfassungsgerichtshofes. 

Das Parlaments besteht aus 250 Abgeordneten. 1991 wurden die Sitze im Parlament erweitert – hinzu kamen 70 weitere Sitze für unabhängige Kandidaten. 127 Sitze sind für Arbeiter und Bauern vorbehalten (Vertreter der Massenorganisationen der Baath-Partei). Die Parteien der Nationalen Fortschrittsfront, also auch der Baath-Partei, kommen über die Einheitsliste ins Parlament. Im Juli 2020 fanden Parlamentswahl in Syrien statt. Dabei hat die herrschende Baath-Partei von Präsident Baschar al Assad wie erwartet 183 der 250 Sitze in der syrischen Volkskammer gewonnen. Die restlichen 67 Sitze gingen an Geschäftsleute, die ebenfalls Assad unterstützen. Die Opposition kritisierte die Wahlen als unrechtmäßige Korruption, mangelnde Legitimität von Autoritäten und die Menschenrechtssituation haben in weiten Teilen der Bevölkerung eine tiefe Frustration ausgelöst.  

Staatliche Strukturen 

Syrien besteht aus den 14 Provinzen Deraa, Suweida, Quneitra, Damaskus-Land, Damaskus, Homs, Hama, Tartous Latakia, Idlib, Aleppo, Raqqa, Deir ez-Zor und Hassakeh. Die Provinzen sind in 51 Bezirke und 160 Unterbezirke eingeteilt, die wiederum aus Gemeinden bestehen. Die Provinz-Gouverneure werden vom Innenminister ernannt. Sie müssen dem Präsidenten direkt Bericht erstatten und kontrollieren die Provinzregierungen sowie die lokalen Büros der Ministerien und der staatlichen Unternehmen. Zusammen mit den lokalen Vorsitzenden der Baath-Partei und den Geheimdienstmitarbeitern repräsentieren sie die höheren Staatsbediensteten. Dies ist das direkte Sprungbrett sowohl in die höheren Ränge des Geheimdienstes als auch in Regierungspositionen. 

Jede Provinz hat gewählte Gremien, genau wie die 106 urbanen Bezirke, die sich 2006 als Städte qualifizierten, die 248 Städte und 207 Dörfer. Alle Ausgaben der Provinz- und der lokalen Regierungen sind im Nationalbudget des Finanzministeriums enthalten. Die Dörfer und Bezirke erhalten ihre Verwaltungskosten von der Zentralregierung. Sonstige Einnahmen gehen zurück in das Nationalbudget. 

Der Damaszener Frühling 

Als Baschar al-Assad im Jahr 2000 die Erbfolge antrat, ließ seine Antrittsrede Hoffnungen auf Reformen aufkeimen. Die Opposition setzte sofort nach: 99 Intellektuelle forderten in einer Erklärung (später das «Manifest der 99» genannt) die Aufhebung des Ausnahmezustandes, eine Generalamnestie und Wiedereinführung der Grundrechte. Es entstanden Clubs, Salons und Debattierzirkel in Privatwohnungen. Mit diesen Initiativen meldete sich die Zivilgesellschaft zurück an die Öffentlichkeit. Viele Clubs oder Organisationen führten den Begriff Zivilgesellschaft tatsächlich auch im Namen. Da es keine Reaktion des Regimes gab, wurde von 1000 Intellektuellen aus allen gesellschaftlichen Bereichen das «Manifest der 1000» verfasst. Er enthielt die gleichen Forderungen wie das «Manifest der 99», aber zusätzlich noch Forderungen wie die Notwendigkeit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Armut, die Zulassung neuer Parteien usw. 

Der bekannteste Salon war der des Industriellen und Abgeordneten Riad Seif. Seif war seit 1994 unabhängiger Abgeordneter im Parlament und beim Regime wegen seiner kritischen Haltung verhasst. Er besaß einen Betrieb für Sportbekleidung mit 1100 Beschäftigten. In seinem Haus fanden große Diskussionsrunden statt. Als dort die Frage nach einer Parteigründung diskutiert wurde, war die rote Linie überschritten, wie sich Abdelhalim Khaddam ausdrückte. Khaddam spaltete sich 2005 vom Regime ab und wurde ausgebürgert. Er lebt in Paris und gibt sich regimekritisch, wenngleich er unter Hafis al-Assad als Außenminister (1970-1984) und Vizepräsident (1984-2000) eine wichtige Stütze des Regimes gewesen war. 

Riad Seif wurde vom Finanz- und Wirtschaftsministerium in den Ruin getrieben. Als er das Mobilfunk Geschäft des Cousins des Präsidenten, Rami Makhluf, der bei den zwei Netzbetreibern, Syriatel und Intercom, jeweils 51 Prozent der Kapitalanteile hält, im Parlament kritisierte, war dies sein Ende als Abgeordneter. Seine Immunität wurde aufgehoben. Er und andere Oppositionelle wurden am 28. November 2001 zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Ein weiterer wichtiger Salon war das Dschamal-al-Atassi-Forum für Dialog und Demokratie. Es wurde 2001 gegründet und konnte am längsten von all den damals entstandenen Zirkeln seine Türen offenhalten. Erst nachdem der Forumssprecher Ali Abdallah auf einer Sitzung den Brief eines Muslimbruders verlas, schritt das Regime ein und das Forum musste schließen, wie die damalige Forums-Vorsitzende Suhair al-Atassi berichtete.

Die Operation Schutzschild und die syrische Solidaritätsbewegung  

2002 marschierte Israel unter dem Namen «Operation Schutzschild» in die besetzten Gebiete ein. In Syrien entwickelte sich eine Solidaritätsbewegung, die wöchentlich Mahnwachen vor dem EU Gebäude durchführte, die «Komitees zur Wiederbelebung der Zivilgesellschaft» sowie Frauen- und Studentenkomitees koordinierten ihre Aktivitäten. Die Solidarität mit Palästina stand im Vordergrund, deshalb konnte das Regime nicht so leicht eingreifen. Aber man wusste, dass diese Aktivisten auch für Menschenrechte und Freiheit kämpften. Die damals verteilten Flugblätter erinnern an die Forderungen im Arabischen Frühling: «Lieber Bürger, dies ist deine Chance zu fühlen, dass du wichtig bist, dass du frei bist und dass du ein Mensch bist.» 

Die Damaszener Erklärung 

2005 wurde die Damaszener Erklärung ins Leben gerufen, die eine Demokratisierung des Landes forderte. Erstunterzeichner waren verschiedene Persönlichkeiten (u.a. Riad Seif, Abdulrazaq Eid, Fidaa Akram al-Haurani, Haitham al-Maleh) sowie Organisationen wie Der Kurdische Demokratische Bund, die Komitees zur Wiederbelebung der Zivilgesellschaft, die Nationaldemokratische Gruppierung in Syrien, Die Zukunftspartei und die Demokratische Kurdische Front. Nicht alle syrischen Oppositionellen aber unterstützen die Erklärung, insbesondere wegen der Rolle, die dem Islam im Text der Erklärung zugesprochen wird.  

Als kurz darauf, im Frühjahr 2006, die Damaskus-Beirut-Erklärung publiziert wurde, die am 12. Mai 2006 von syrischen und libanesischen Intellektuellen unterschrieben worden war und eine Normalisierung der Beziehungen zum Libanon forderte, antwortete das Regime mit einer Verhaftungswelle. Nun kamen auch Oppositionellen ins Gefängnis, die während des Damaszener Frühlings verschont geblieben waren, so Anwar al-Bunni, Michel Kilo und Mahmud Issa. 

Die Hoffnungen auf Reformen erfüllten sich unter dem neuen Präsidenten nicht . Vier Jahre nach dem Amtsantritt von Baschar al-Assad im Jahr 2000 stellte die International Crisis Group eine dringende Notwendigkeit für einen gravierenden Wandel fest. Doch alle Forderungen nach Reformen wurden vom Regime hart bestraft. 

Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Verfasser ist Marwan Abou Taam. Die Urheber wurden informiert, dass auf meiner Tourismusseite für Syrien die Inhalte veröffentlicht werden.