Gesellschaft und Kultur
Die syrische Bevölkerung gleicht einem Mosaik aus Religionsgemeinschaften und ethnischen Gruppierungen. Sie haben in der jahrtausendealten Geschichte des Landes meist friedlich zusammengelebt. Im derzeitigen Konflikt besteht allerdings die Gefahr, dass dieses fragile Gebilde zerbricht.
Alphabetisierte Erwachsene 80% (2010, keine aktuellen Daten)
bedeutendste Religion Islam (Sunniten)
weitere bedeutende Religionsgemeinschaften Christen, Alawiten, Drusen, Ismailiten
Städtische Bevölkerung 56%
Lebenserwartung (w/m) 75/69 (2018)
Gender Inequality Index 136 von 160 (2018)
Anzahl Geburten 2,92/Frau (2016)
Aktuelle Situation
Aufgrund der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Teilen der syrischen Opposition und dem Regime hat sich die Lage der Bevölkerung in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. Mittlerweile sind über 4,8 Millionen Flüchtlinge im Ausland registriert, tatsächlich haben weitaus mehr Menschen das Land verlassen. Die Anzahl der Binnenflüchtlinge wird auf über sieben Millionen geschätzt.
Die Lebenserwartung ist in den letzten fünf Jahren von 70 auf 55 Jahre gesunken, laut einem Bericht des Syrian Center for Policy Research wurden etwa 470.000 Menschen getötet, 1,9 Millionen Menschen verwundet, das sind 11,5 Prozent der syrischen Bevölkerung. Das World Food Programm (WFP) schätzt, dass mittlerweile 13,5 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, davon sind sechs Millionen Kinder.
Zusammensetzung der Gesellschaft – Religionen und Ethnien
Die syrische Gesellschaft gleicht einem aus Religionsgemeinschaften und Ethnien bestehenden Mosaik. Die verschiedenen Gruppierungen lebten Jahrhunderte lang meist friedlich zusammen. Die Verfassung garantiert die Religions- und Kulturfreiheit und definiert Syrien säkular, lediglich der Präsident als Staatsoberhaupt muss Muslim sein. Die islamische Rechtsprechung wird zwar als Hauptquelle für die Gesetzgebung genannt, nicht jedoch als exklusive Quelle des staatlichen Rechts.
Die Mehrheit der in Syrien lebenden Muslime sind Sunniten. Außerdem gibt es eine kleine Minderheit von Schiiten (Zwölfer-Schia) und in der Gegend von Salamiya Ismailiten (Siebener-Schiiten). Die Alawiten, die etwa 12 Prozent der Bevölkerung ausmachen, leben hauptsächlich im Küstengebiet und im Gebirge, Drusen mehrheitlich im Hauran südlich von Damaskus. Im gesamten öffentlichen Dienst, dem Sicherheitsapparat und im Offizierskorps herrschte seit Jahrzehnten eine systematische Privilegierung der Mitglieder der alawitischen Minderheit
Die Kurden, die etwa knapp zehn Prozent der Bevölkerung stellen, sind hauptsächlich Sunniten, doch es gibt auch eine ganz kleine Minderheit von Jesiden. Die Religion der Jesiden ist ein Konglomerat aus zarathustrischen und gnostischen Elementen sowie Elementen des Sternenkults. Sie werden von den Muslimen nicht als Buchreligion anerkannt und wurden oft als Götzenanbeter verfolgt. Zwischen 100.000 und 200.000 Kurden in Syrien sind staatenlos (andere Schätzungen gehen von 250.000 bis 300.000 aus). Am 7. April 2011 wurde als Zugeständnis an die Demonstranten ein neues Gesetz verabschiedet (Dekret Nr. 49), das die Einbürgerung von Staatenlosen ermöglicht. Diese eingebürgerten Kurden erhalten damit auch das aktive und passive Wahlrecht.
Weitere ethnische Gruppierungen bilden die Tscherkessen und die Turkmenen. Sie sind Sunniten, die Turkmenen leben meist an der Küste in der Nähe von Latakia. Etwa 500.000 bei der UNRWA registrierte Palästinenser leben in Syrien, zum Teil noch in seit Jahrzehnten bestehenden Flüchtlingslagern. Viele von ihnen wurden im Zuge der militärischen Auseinandersetzungen seit Ende 2011 gezwungen, erneut die Flucht anzutreten. Insbesondere im Flüchtlingslager Yarmouk bei Damaskus ist die Lage für die Menschen aufgrund der Abriegelung durch das Regime katastrophal. Im Dezember 2013 schickten palästinensische Gruppen einen Hilferuf an die Öffentlichkeit. Viele Flüchtlinge aus Syrien kehren aufgrund von schlechten Bedingung in den Aufnahmeländern trotz der Zerstörung nach Syrien zurück.
Die Anzahl der irakischen Flüchtlinge in Syrien betrug zeitweise zwei Millionen. Viele von ihnenkehrten nach der Beruhigung der Lage im Irak zurück, andere zwang der derzeitige Krieg in Syrien zur ungewollten Rückkehr.
Die Christen in Syrien teilen sich in die westsyrische Kirche (syrianische Kirche, orthodoxe und unierte katholische Gemeinde), deren Anhänger in Europa auch als Jakobiten (nach dem Kirchenvater Jakob) bezeichnet werden, und die ostsyrische Kirche (assyrische Kirche und chaldäische katholische Kirche); deren Anhänger werden auch Nestorianer genannt. Die Gläubigen des katholischen Zweigs der griechisch-orthodoxen Kirche nennen sich Melkiten. Die Armenier gehören entweder der armenisch-orthodoxen Kirche oder dem katholischen Zweig an. Die kleine Minderheit der Maroniten in Syrien stammt aus dem Libanon. Von den bis zu 1,6 Millionen Christen, die vor dem Beginn des Konflikts in Syrien gelebt haben sollen, sind heute etwa 500.000 im Land. Die Mehrheit der Christen in Syrien hinterfragen kaum die vom Assad-Regime vorgegebenen Rahmenbedingungen
In Deutschland wurde darüber diskutiert, christliche Flüchtlinge aus Syrien bevorzugt aufzunehmen. Diese Überlegung stößt nicht bei allen syrischen Christen auf Zustimmung und hätte fatale Folgen für die Existenz der christlichen Gemeinschaft in Syrien. Nach dem Ersten Weltkrieg lebten in Damaskus, Aleppo in Syrien und in Qamishli im kurdisch syrischen Norden etwa 18.000 Juden. Als Reaktion auf die Staatsgründung Israels erließ das gerade unabhängig gewordene Syrien eine Reihe diskriminierender Gesetze, die den Druck auf die Minderheit weiter erhöhten. Ein weiterer Einschnitt war der Sechs-Tage-Krieg von 1967. Viele Juden wurden verhaftet, eine unbekannte Zahl von ihnen in Damaskus und Aleppo ermordet. Die Behörden schlossen die meisten jüdischen Schulen und Bildungseinrichtungen.
Bis 1996 (Oslo-Verträge zwischen der PLO und Israel) gab es noch 4000 Juden in Damaskus und eine sehr kleine Gemeinde in Kamischli. Nach den Oslo-Verträgen reisten die meisten Juden aus – zu den syrisch-jüdischen Gemeinden in New York oder in Argentinien, einige nach Israel. Heute leben nur noch die wenigen Juden in Syrien, die zu alt sind, um zu fliehen.
Der soziale und kulturelle Reichtum Syriens wurde stets in konfliktreichen Zeiten instrumentalisiert. Dabei lassen sich aus den religiösen ethnischen Zugehörigkeiten keine politischen Haltungen verallgemeinern. So geht derzeit die Konfliktlinien quer durch christliche und drusische Familien, wie durch sunnitische Familien. Je länger der Konflikt in Syrien andauert, desto zerstörerischer er wirkt auf die interkonfessionelle Zusammensetzung.
Soziale Struktur
Frauen und Gesellschaft
Die Frauen nutzen, bedingt durch die Geschlechtertrennung, ihre eigenen Traditionen. So finden in den Städten folgende quasi-institutionalisierte Frauentreffen statt – wobei aufgrund der zunehmenden Berufstätigkeit der Frauen ein Rückgang zu verzeichnen ist. Dabei handelt es sich um eine soziale Tradition, die von allen Frauen – egal welcher Religionszugehörigkeit – praktiziert wird. Männer sind davon ausgeschlossen. Studien zufolge, wie z.B. der von Friederike Stolleis (Öffentliches Leben in privaten Räumen, muslimische Frauen in Damaskus, 2004), wird dort alles besprochen, von Familienproblemen bis zu Heiraten. Die Frauen, die solch einen Kreis veranstalten, kennen einander sehr gut.
Istiqbal: Formelle Einladung am frühen Abend
Im Gegensatz zur Subhiya sind Frauen zu diesen Anlässen hübsch gekleidet und stellen ihren Schmuck zur Schau. Es gibt Kaffee und Süßigkeiten, es wird getanzt oder es werden Gesellschaftsspiele gespielt.
Sparvereine
Im Mittelpunkt steht die Geselligkeit, nicht das Sparen und das Reden über die Geldverteilung. Bei jedem Treffen wird von allen etwas eingezahlt; wenn der Topf voll ist, wird der Reihe nach ausgezahlt.
Der Hamam, ursprünglich ein traditioneller Frauentreffpunkt, spielt erst in letzter Zeit wieder eine Rolle. All dies gilt für urbane Strukturen. Auf dem Land und bei den Beduinen kommt der Frau aufgrund der anderen Arbeitsverteilung zwischen Mann und Frau eine andere Rolle zu.
Gleichberechtigung
Im 20. Jahrhundert entstand in Syrien eine der ersten Frauenbewegungen der arabischen Welt. Gebildeten Frauen der Oberschicht setzten sich für Frauenrechte ein und kämpften für die Gleichberechtigung. So veröffentlichte bereits 1928 die libanesisch-syrische Feministin Nazira Zain al-Din, eine der ersten Personen, die den Koran aus feministischer Sicht kritisch interpretierte, ein Buch, in dem sie die Praxis der Verschleierung verurteilte und argumentierte, der Islam verlange, dass Frauen mit Männern gleich behandelt werden.
Der 2011 ausgebrochene Bürgerkrieg wirkte toxisch auf die Frauenbewegung Syriens, denn viele syrische Frauen schlossen sich den Kriegsparteien an. Einige kämpften in ausschließlich weiblichen Brigadeneinheiten der syrisch arabischen Armee, andre in den Milizen der der Partei der Demokratischen Union oder gar beim Islamischen Staates. Trotz Diktatur konnte die syrische Frau insbesondere im städtischen Bereich einiges erreichen, doch heute muss man feststellen, dass der Krieg die patriarchale Strukturen wieder gestärkt hat. Heute bestimmen in Syrien die patriarchalen Strukturen den Alltag der Menschen und viele Frauen nehmen die durch Kriege, Ausbeutung und Unterdrückung verursachten Leiden gottergeben hin.
Die Frauen müssen noch lange für Gleichberechtigung kämpfen. Die Geschlechterrollen sind sehr manifest. Frauen kümmern sich ums Kochen und die Männer um die Unterhaltung. Ein Blick in jedes beliebige Teehaus belegt dies. Es gibt immer noch frühe Heiraten, obwohl das durchschnittliche Heiratsalter für Frauen jetzt bei 25 Jahren liegt. Von Gesetzes wegen dürfen Frauen ab 17 heiraten, Männer ab 18. Allerdings kann ein Richter frühe Heiraten legalisieren: (für Frauen ab 13 Jahren und Männer ab 15 Jahren). Schätzungsweise 25% der jungen Frauen zwischen 15 und 19 Jahren sind verheiratet, geschieden oder verwitwet (UN, 2004).
Polygamie ist erlaubt. Ein Mann darf bis zu vier Frauen heiraten. Allerdings kann ein Richter einem Mann verbieten, eine zweite Frau zu heiraten, wenn er finanziell nicht in der Lage ist, sie zu ernähren. Die Polygamie ist in Syrien nicht sehr verbreitet. Normalerweise hat der Vater mehr Rechte als die Mutter. Die Mutter bekommt beim Tod des Vaters das Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder. Im Falle einer Scheidung hat die Mutter die Vormundschaft inne – bis die Söhne 13 und die Mädchen 15 Jahre alt sind.
Das islamische Recht sieht vor, dass eine Frau von Vater, Mutter, Ehemann, Kindern und in Ausnahmefällen auch von anderen Familienmitgliedern erben kann. Generell ist ihr Anteil kleiner als der eines Mannes. Eine Tochter erbt halb so viel wie ein Sohn. Allerdings können Änderungen zugunsten der Frau notariell festgelegt werden.Eine unverheiratete Frau über 18 braucht keine
Genehmigung ihres männlichen Beschützers, wenn sie verreist. Eine Frau kann nicht in Berufen arbeiten, die von der Regierung als gefährlich oder unmoralisch eingestuft werden.
Obwohl Flüchtlinge generell unter wirtschaftlich schlechten Bedingungen leiden, sind syrische Frauen akuter betroffen als andere . Frauen sind im syrischen Krieg besonders betroffen. Sowohl in Syrien, als auch in den Flüchtlingslagern werden sie sexuell ausgebeutet. Zudem hat der Krieg die Akzeptanz von Kinderehen erhöht.
Berufstätigkeit
36 Prozent der berufstätigen Frauen und 50 Prozent der Männer arbeiten im staatlichen Sektor. Wer in Syrien Karriere machen wollte, trat der Baath-Partei bei. Ähnlich wie in den damaligen Ländern des Osblocks lassen sich in Syrien Studium, Arbeitsplatz oder sonstiges Engagement mit einem Parteibuch einfacher erreichen. Die Baath-Partei ist omnipräsent und bestimmt die Inhalte von Gewerkschaften, Unternehmerverband, Frauenorganisationen, Journalistenvereinigung und Ärztekammern.
Bei bestimmten Stellen/Posten gibt es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede. Frauen als Lektorinnen oder Professorinnen machen in der Fakultät für Englisch und Französisch die Hälfte des Lehrpersonals aus.
Heute prägen Frauen in den urbanen Zentren das gesamte Erscheinungsbild – in den Parks, Cafes, Kinos, Straßen und als Autofahrerinnen.
Bildung
Im Osmanischen Reich fanden noch keine großen Reformen statt. Um die Jahrhundertwende gab es Privatschulen, überwiegend französische und einige von Arabern initiierte. In den Städten gab es christliche Missionsschulen, deren Leiter oft Araber waren. In kleineren Orten und auch in den Städten waren die Koranschulen verbreitet und es gab einige religiöse Hochschulen.
Die Republik Faisal 1919/1920 hatte die Erweiterung des Schulsystems geplant. Verantwortlich war der Bildungsminister Sati al-Husri. (5 Prozent der schulpflichtigen Kinder besuchten eine Schule).
1933 wurde unter dem Mandat ein neues Schulgesetz erlassen. Das öffentliche Erziehungswesen wurde gefördert, ohne dass die Rechte der ausländischen Missionen im Bildungssektor beeinträchtigt wurden. 1944-45 besuchten 57,6 Prozent aller Grundschüler und 52 Prozent der Oberschüler staatliche Schulen. Von den Mädchen besuchten die meisten Privatschulen.
1936, bei der Unterzeichnung des Syrisch-Französischen Vertrages, kam den ausländischen Kultureinrichtungen einschließlich der Schulen eine wichtige Rolle zu. Ihr Status durfte nicht angetastet werden, doch die Franzosen lehnten die Ratifizierung des Vertrages ab, weil der
französische Kultureinfluss durch die nationalistisch-arabische Politik der syrischen Mandatsregierung gefährdet sei.
Das syrische Bildungssystem ist stark zentralisiert. Schulpflicht besteht für 9 Jahre, davon 6 Jahre in der Grundschule und 3 Jahre in einer weiterführenden Schule. Der Pflichtschulbesuch ist an öffentlichen Schulen kostenlos. Die Mehrheit der Schulen ist staatlich, 1,8 Prozent sind private Schulen. Das Bildungsministerium regelt den Unterricht sowohl an öffentlichen als auch an privaten Schulen. Neben den syrischen Schulen betreibt die UN Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) Schulen für palästinensische Kinder.
Artikel 21 der Verfassung von 1973 stellt fest: „Das System der Bildung und Kultur zielt darauf ab, eine arabische, nationale, sozialistische Generation heranzuziehen, die sich durch wissenschaftliches Denken auszeichnet, die ihrer Geschichte und ihrem Land verbunden und auf ihr kulturelles Erbe stolz ist, die vom Geist des Kampfes für die Ziele ihrer Nation in Einheit, Freiheit und Sozialismus erfüllt ist und die im Dienste der Menschheit und ihres Fortschritts steht.“ In der Bildungsreform von 2003 wurde die bis dahin obligatorische Militäruniform für Schüler und Schülerinnen abgeschafft und der Militärunterricht fiel weg.
Das Recht auf Religionsunterricht wurde eingeführt. Die verschiedenen Religionsgemeinschaften durften nun an einen konfessionsgebundenen Unterricht anbieten. Jede größere Kirchengemeinde hat Privatschulen. Die Kinder werden mit dem Schulbus abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Es gibt auch islamische Privatschulen.
Die Oberstufe der Sekundarschule gliedert sich in einen allgemeinbildenden und einen beruflich orientierten Bereich. An der 3-jährigen allgemeinen Sekundarschule, die ab der 11. Klasse in einen literarisch-geisteswissenschaftlichen und einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Zweig aufgeteilt wird, können Schülerinnen und Schüler die allgemeine Hochschulreife (Baccalaureate) erwerben. Allerdings ist die Belegung von mathematisch-naturwissenschaftlichen Studiengänge von Absolventen des literarisch-geisteswissenschaftlichen Zweiges nicht vorgesehen. Darüber hinaus können syrische Schülerinnen und Schüler an den beruflichen und technischen Sekundarschulen berufliche Abschlüsse bzw. Fachabitur erwerben. In den letzten Jahren sind auch sehr viele Privatuniversitäten entstanden. Die staatlichen Universitäten befinden sich in Damaskus, Latakia, Homs und Aleppo.
Vor Beginn des Konflikts lag der Anteil von Kindern, die eine Schule besuchten bei 93 Prozent. Infolge des bewaffneten Konflikts wurden immer mehr Schulen zerstört. Insbesondere binnenvertriebene Kinder haben Schwierigkeiten, eine Schule zu besuchen.
Gesundheit
Das Gesundheitssystem in Syrien ist zusammengebrochen. Es wird geschätzt, dass mehr als die Hälfte aller Krankenhäuser im Land zerstört oder schwer beschädigt sind. Tausende Ärzte und KrankenpflegerInnen wurden getötet, inhaftiert oder flohen ins Ausland. Im September 2013 sollen laut einem UN-Bericht beispielsweise in Aleppo von 5.000 niedergelassenen Ärzten nur noch 36 vor Ort gewesen sein. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtet im Juni 2016 von massiven Angriffen auf die Infrastruktur Aleppos, bei denen auch immer wieder Krankenhäuser unter Beschuss genommen werden.
Polio
Aufgrund der Kriegssituation im Land konnten viele Kinder nicht gegen Kinderlähmung geimpft
werden. Daher wurden seit 1999 zum ersten Mal wieder Fälle von Polio festgestellt. Um eine Epidemie zu verhindern, die sich auch auf die Nachbarländer ausbreiten könnte, führte UNICEF eine großangelegte Impfkampagne in Syrien durch. Auch in Deutschland sind die Behörden alarmiert, bei allen aus Syrien nach Deutschland eingewanderten Personen soll eine Impfstatuskontrolle durchgeführt werden.
HIV/AIDS
2001 lag der Prozentsatz der mit HIV/AIDS infizierten Erwachsenen bei geschätzten 0,1 Prozent. Laut einer Statistik der Regierung lebten 2008 552 Menschen mit HIV in Syrien. Experten, auch syrische, schätzen allerdings, dass die Zahl weitaus höher liegt.
Die Regierung bietet diesen Menschen zwar medizinische Versorgung, die UNO kritisiert allerdings die unzulänglichen Bemühungen in Sachen Prävention. Es es gibt kaum Informations-und Verhütungskampagnen. Die Regierung führt zwar in Kliniken Tests durch und verteilt Aufklärungsbroschüren, diese erreichen die Bevölkerung auf Grund der Tabuisierung von Sexualität im Allgemeinen und Homosexualität im Besonderen (diese steht sogar unter Strafe) jedoch nicht. Infizierte werden oft von ihren Familien verstoßen und kriminalisiert.
Sozialsystem
Versichert sind alle, die im öffentlichen Sektor arbeiten; es gibt eine Unfall-, Kranken, Invaliden-, Alters- und Arbeitslosenversicherung. Nach dem syrischen Gesetz sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, 17 Prozent ihres Gehalts in die Sozialversicherung einzuzahlen, damit die Arbeitnehmer renten- und krankenversichert sind, ebenso auch für Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit. Arbeitgeber haben für die Sicherheit am Arbeitsplatz zu sorgen. In der Praxis halten sich wenige Unternehmer daran.
Die vier Millionen Syrer, die im Privatsektor arbeiten, genießen keinen Schutz, wenn sie sich während der Arbeit Verletzungen zuziehen. Schätzungsweise 45 Prozent aller Arbeitskräfte des Landes arbeiten im informellen Sektor.
LGBTI
Homosexualität ist Syrien offiziell verboten und wird strafrechtlich mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren belegt. Jedoch verfolgt der syrische Staat Homosexualität nicht aktiv. Antidiskriminierungsgesetze bestehen aufgrund der Illegalität nicht. In der Gesellschaft wird Homosexualität tabuisiert. Sie wird als Krankheit deklariert. Lesben, Schwule und andere sexuelle Minderheiten werden vielerorts misshandelt und in den gesellschaftlichen Untergrund gedrängt. Betroffene führen ein Doppelleben.
Kultur
Damaskus – UNESCO Weltkulturerbe
Damaskus gilt als eine der ältesten bewohnten Städte der Welt. Die Ursprünge gehen bis ins 5. Jahrtausend v.u. Zeitrechnung zurück. Die Stadt ist eine Hochoase, die gespeist wurde von den
Flüssen Barada und Awaj. Der Grüngürtel der Stadt, die Ghouta, versorgte die Stadt mit landwirtschaftlichen Produkten und Obst.
Die kulturelle Entwicklung nach dem 67er Krieg
Beeinflusst durch die Niederlage beim Sechs-Tage-Krieg und die 1968er-Revolten in Europa, vollzog sich auf kultureller, geistiger und politischer Ebene innerhalb Syriens ein wesentlicher Wandel.
Die wichtigsten kritischen Literaten waren: Mamduh Adwan, Ali Kanaan, Nazih Abu Afash, Hani ar Rahib (Alf layla wa laylatan) und der Dichter Nizar Qabbani (Hawamish ala deftar an-naksa). „Im Theater erschienen neue Richtungen des bitterbösen nihilistischen Spiels…Saadallah Wanus veröffentlichte seine Erklärungen eines neuen Theaters.“ Das erste Stück in dieser Richtung war das „Abendtreffen am 5. Juni“. Auch in der Filmszene wurden alte Formen aufgebrochen, innovative Stile traten zutage und man zeigte sich offen für Experimente. Die wichtigsten Regisseure: Omar Amiralay, Samir Zikra (hadithat an-nusf meter), Haitham Haqqi, Muhammad Malas und Osama Muhammad. Das gleiche geschah in der Bildenden Kunst: Kunstvereine wurden gegründet, Ausstellungen organisiert. Nach seiner Rückkehr aus Frankreich veröffentlichte Saadallah Wanus seine „Erklärungen eines neuen Theaters“. Sein Theaterstück in neuer Form war „Abendtreffen am 5.Juni“, das eine Kritik an den arabischen Regimen enthielt. Es war der Auftakt zur Modernisierung des Theaters.“ Viele waren aktiv im palästinensischen Widerstand, Saadallah Wanus thematisierte dies in dem Theaterstück „Die Vergewaltigung“. Die Diskussion war eingeleitet worden von der Streitschrift des Philosophen Sadeq al-Azm: Selbstkritik nach der Niederlage (naqd adh-Dhati baad al-Hazima).
„Die ungeheure Energie, die jene Zeit bei der Jugend entfesselt hat, war für das System, das sogar den Koalitionsparteien jegliche politische Aktivität in Studentenkreisen per Gesetz untersagte, eine klare Botschaft…Das System schuf ein unterdrückerisches und zugleich schmeichlerisches Klima, das vorgeformte politische Lösungen anbot.“
Syrien zeitgenössische Kunstszene
Bewegungen in der Bildenden Kunst .Zensur findet in den Medien, Film und Fernsehn statt. Die syrische Schriftstellerin Rosa Yasin Hassan über die Zensur.
Kunst im Widerstand hat sich während des Aufstandes (2011/2012) entwickelt. Die Künstler müssen im Untergrund arbeiten, weil sie vom Regime verfolgt werden. Der Sänger und Dichter Ibrahim Qashush wurde brutal ermordet und dem Karikaturist Ali Farzat wurde die Hand zertrümmert.
Auch hat sich in der Diaspora eine Kunst und Flucht Szene gebildet.
Literatur
Immer mehr Buchhandlungen in Damaskus schließen.
Links:
Blog Creative Syria
Le pont organization – die Galerie des syrischen Fotografen Issa Touma in Aleppo Musik
Musik
Einer der international bekanntesten syrischen Musiker ist der Klarinettiest Kinan Azmeh, der zusammen mit einigen Kolleginnen und Kollegen die Gruppe Hiwar gründete.
Weitere Informationen über syrische und arabische Musiker und Bands auf Suraj Music Im Jahre 2009 (Damaskus – Weltkulturerbe) wurde von Hawasly «Nur ala Nur» produziert (zwei CDs),
eine Life-Aufnahme des Konzertes im Azm-Palast. Sufi-Musik vom Feinsten.
Weitere syrische Künstler, Kalligraphen, Maler, Fotografen auf der Website Ceative Syria Kunst: Literatur, Musik, darstellende und bildende Kunst
Film
Die website des staatlichen Filminstituts
Syriens Medien
Al-Baath, Zeitung der regierenden Baath-Partei. Nach eigenen Angaben ist die Auflage 70.000. 1000 Mitarbeiter, 60 in der Redaktion. (www.albaath.news.sy )
Al-Thawra wurde 1964 gegründet und hat nach eigenen Angaben eine Auflage von 80.000 Exemplaren. Die Zeitung gilt als populärste der drei Staatszeitungen. Die Redaktion besteht aus 140 Redakteuren.
Die Zeitung Tishreen erscheint seit 1975 und hat heute nach eigenen Angaben eine Auflage von rund 70.000 Exemplaren pro Tag. Die Zeitung beschäftigt 800 Mitarbeiter.
Al-Watan wurde 2007 gegründet, mit dem Slogan: Erste unabhängige Zeitung Syriens. Sie ist „unabhängig“ im Besitz des reichsten syrischen Unternehmers Rami Makhluf, der schon ganz früh während des Aufstands (2011/12), als Regimemitglied angegriffen wurde. Auflage: 30 000. Der Redaktion gehören rund 50 meist junge Journalisten, vielfach Universitätsabsolventen, die im Haus in organisierten Trainingsseminaren fortgebildet wurden. (www.alwatan.sy)
Die Tageszeitung Baladna erscheint seit 2006 im Tabloidformat; Auflage unbekannt. Baladna richtet sich vor allem an junge Zielgruppen. (www.baladnaonline.com)
Syria Times
Das 1980 gegründete Blatt ist in den Redaktionsräumen von Tishreen untergebracht und dient als internationales Sprachrohr der syrischen Regierung. Die Syria Times verbreitet Nachrichten der staatlichen Nachrichtenagentur SANA. Sie hat eine Auflage von bis zu 3.000 Exemplaren pro Tag. (syriatimes.tishreen.info)
Zeitschriften
Syria Report, wurde 2001 in Paris gegründet. Der Chefredakteur lebt in Damskus. Abonnement: 375 Dollar im Jahr. www.syria-report.com
Seit 2011 gibt es auf Druck der Demonstrationen ein neues Mediengesetz, das allerdings von der libanesischen Zeitung al-Akhbar folgendermaßen kommentiert wird: Syrian Media Reform: The Art of Double Speak.
Syrien beansprucht, im Zentrum der arabischen Kultur zu stehen. Dennoch ist das Land zum Beispiel in seiner Buchproduktion sogar hinter Länder wie Saudi-Arabien zurückgefallen, und kaum von Bedeutung ist auch das syrische Kino, das weitgehend staatlich kontrolliert wird, so wie die meisten syrischen Medien. Lediglich die Universität in Damaskus ist von internationaler Ausstrahlung nicht zuletzt für Arabisch-Studenten.
Lesetipps
Friederike Stolleis: Öffentliches Leben in privaten Räumen. Ergon Verlag, 2004
Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Verfasser ist Marwan Abou Taam. Die Urheber wurden informiert, dass auf meiner Tourismusseite für Syrien die Inhalte veröffentlicht werden.