Auslöser des Bürgerkrieges in Syrien waren die zunächst friedlichen Proteste gegen das Regime. Die Menschen forderten Sozialreformen und politische Freiheiten und Rechtsstaatlichkeit. Das Regime tat sich jedoch schwer mit Reformen und reagierte sehr bald mit Gewalt auf die Forderungen der Demonstranten. Es kommt zu Ausschreitungen. Der Aufstand hatte sich inzwischen auf alle Städte außer Aleppo und Damaskus ausgedehnt. Die daraufhin nur widerwillig durchgeführten Reformen konnten die Lage nicht mehr beruhigen. Der Aufstand in Syrien entwickelte sehr schnell eine eigene Konfliktdynamik. Ein Krieg mit den unterschiedlichsten Akteuren und Interesse war die Folge. Von einer Auseinandersetzung zwischen Opposition und Regierung, hat sich der Konflikt seitdem zu einem Kampf unzähliger Milizen und Fronten entwickelt.
Der Krieg in Syrien polarisiert. Die Zuspitzung des Konfliktes stärkte die radikalen Kräfte in Syrien. Zahlreiche dschihadistische Gruppen, die teilweise Al-Kaida nahe stehen kontrollierten große Teile Syriens. Seit der massiven Ausbreitung radikalislamischer Gruppen wie Ahrar As-Sham, besonders aber der dschihadistischen Gruppierungen wie der Al-Qaida nahe stehenden Nusra-Front und der
Ausrufung eines Kalifats durch den Islamischen Staat (IS) in weiten Teilen Nordsyriens ist die Lage gerade auch für Ausländer unberechenbar geworden. Die Terrormiliz «Islamischer Staat» (IS) wurde in Syrien stark – und rief die internationale Anti-IS-Koalition auf den Plan: Die USA flogen Luftangriffe gegen die Extremisten. Am Boden unterstützte Amerika die demokratischen Kräfte Syriens im Kampf gegen den IS, ein Bündnis, das mehrheitlich kurdisch ist und von der kurdischen YPG/ Volksverteidigungseinheiten angeführt wird.
Die Kurden im Norden Syriens wurden mit Unterstützung der USA stark. Zwischen Ihnen und den Truppen Assads gab es stillschweigend eine Gegenseitige Akzeptanz: Assad hatte sie bei ihren Autonomiebestrebungen weitestgehend gewähren lassen, da im Gegenzug die Kurden Assad nicht infrage stellten. Das Erstarken konnte von der Türkei nicht hingenommen werden, da Erdogan in der YPG eine PKK-nahe Terrororganisation sieht.
Im Dezember 2018 deklarierte der US-Präsident Donald Trump den «historischen Sieg» über IS und kündigte den Abzug der US-Truppen an. Der ankündigte US-Truppenabzug hat in der Region neue Unsicherheiten und Dynamiken ausgelöst. Die Türkei nutzte die Ankündigung um eine Offensive gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Nordsyrien zu starten. Ankara verstärkte seine Truppen entlang der syrischen Grenze und zog seine Panzer und gepanzerte Fahrzeuge in der Gegend bei Manbidsch in Nordsyrien zusammen. Die Kurden riefen Assad um Hilfe. Die syrische Armee hat Truppen in die Stadt Manbidsch verlegt. Frankreich erklärte, seine Militärpräsenz in Syrien vorerst aufrechtzuerhalten. Insgesamt kann man feststellen, dass vor allem die Türkei, Iran, Saudi-Arabien und Israel bereit sind, ihre als vital angesehenen Interessen in Syrien auch militärisch durchzusetzen. Dies birgt die Gefahr erneuter militärischer Eskalation. Russland versteht einen möglichen Abzug der USA als Punktsieg und baut seine Macht in der Region aus.
Syrien wurde seitens der arabischen Liga mit Ausbruch des Bürgerkrieges ausgeschlossen. Mehrere arabische Staaten verhängten Sanktionen. Die Staaten des Golf-Kooperationsrates hatten im Februar 2012 ihre Botschafter aus Damaskus abgezogen, um gegen die Niederschlagung der Protestbewegung in Syrien zu protestieren. Eine neue Entwicklung stellt der Besuch des sudanesischen Machthabers Omar al-Bashir Ende Dezember 2018 in Damaskus. Damit kam erstmals seit Beginn des Kriegs ein amtierendes arabisches Staatsoberhaupt nach Damaskus, der die Rolle Syriens in der Region als Teil der arabischen Familie beschwor. Der Besuch Al-Bashirs korrespondiert mit der zeitgleichen Wiedereröffnung der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate in Damaskus. Die Emirate beschworen die arabische Brüderlichkeit und betonten die Rolle eines souveränen Syriens in der Region. Assad gibt die diplomatische Wende der Emirate weiteren politischen Auftrieb, zumal andere arabische Staaten folgen sollten. Viele Beobachter gehen davon aus, dass die Botschaftseröffnung mit Saudi-Arabien abgestimmt wurde und werten dies als Schritt zur Rehabilitation des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad in der arabischen Welt. Die Emirate und Saudi-Arabien galten bislang als die Hauptunterstützer der Rebellen in Syrien.
Seit Ausbruch des Bürgerkrieges starben rund 400.000- 500.000 Menschen. Die meisten Opfer sind Zivilisten. Der Krieg führte zudem zu einem der größten Flüchtlingsströme seit dem Zweiten Weltkrieg. Knapp fünf Millionen Syrer haben das Land verlassen. Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge. Damit befindet sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht. Das Bildungssystem ist zusammengebrochen. Rund zwei Millionen schulpflichtige Mädchen und Jungen besuchen die Schule nicht. Die Lebenserwartung ist um 15 Jahre gesunken. Syrien hat umgerechnet rund 250 Milliarden Euro an Wirtschaftskraft eingebüßt. Experten beziffern die Kosten für den Wiederaufbau auf 1,2 Billionen US-Dollar. In Syrien sind Hunderte lokale Akteure im „Bürger“- Krieg verwickelt, zudem Regional- und Großmächte.
Das Assad-Regime
Assad und ein Großteil der Führung des derzeitigen Regimes halten an die Macht und haben kein Interesse daran, sie zu verlieren. Zumal sie sich vor Rachezügen ihrer Gegner bei einem Sturz fürchten. Dies gilt ebenfalls in unterschiedlichem Maße für die religiösen Minderheiten. So profitierten die Alawiten lange vom System, was sich damit erklärt, dass die Assad-Familie der Minderheit der Alawiten angehört und viele wichtige Funktionen im Staat von den Alawiten besetzt sind. Auch Drusen und Christen sind eher dem Regime zugeneigt. Ein Sieg der zwischendurch zunehmend islamistisch geprägten Opposition sehen sie als große existenzielle Gefahr. Das syrische Militär setzt angetrieben von den Erfolgen der letzten Monate derzeit auf eine militärische Lösung des Konflikts und ist entschlossen seine Autorität wieder über ganz Syrien auszubreiten. Das erklärt die aktuelle Verschärfung der Angriffe auf die letzte Bastion der Opposition in Idlib.
Opposition
Neben der Freien Syrische Armee (FSA) wird die militante Opposition von islamistischen Organisationen geprägt, die entweder dem Islamischen Staaten (IS) oder Al-Qaida nahestehen.
Freie syrische Armee (FSA). Die freie syrische Armee (FSA) ist der bewaffnete Arm der Gruppe „Nationalkoalition syrischer Revolutions- und Oppositionskräfte“ und ist keineswegs eine einheitliche Organisation. Es handelt sich um ein Bündnis verschiedener Organisationen, die ihrerseits unterschiedliche Interessen verfolgen. Einig sind sie sich lediglich über das Ziel, Assad abzusetzen. Ein Projekt für Syrien nach Assad konnte die Nationalkoalition bislang nicht vorlegen.
Während die FSA Anfang des Krieges in Syrien große Erfolge verzeichnen konnten, spielt sie heute eher eine rudimentäre Rolle im Konflikt. Große Gebiete, die von der FSA kontrolliert waren, sind entweder von der Armee zurückerobert oder an islamistische Millizen übergegangen.
Eine der größten Schwächen der FSA ist die Tatsache, dass die politische Führung unterschiedliche Loyalitäten gegenüber ausländischen Mächten hat. Die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte, wurde am 11. November 2012 in Doha/ Katar gegründet. Sie wurde zunächst finanziell und logistisch von Katar, Saudi-Arabien und der Türkei unterstützt. Auch die USA, Großbritannien und Frankreich lieferten Material und unterstützten die Nationalkoalition in internationalen Gremien. Mit den zunehmenden regionalen Spannungen zwischen Saudi-Arabien und Katar, der politischen Uneinigkeit der Gruppen innerhalb der Nationalkoalition und dem Erstarken der Islamisten, verschoben sich die Interessenlagen der Förderer.
Islamistische Akteure der Opposition
Islamischer Staat (IS)
Der „Islamische Staat“ (IS) ist eine islamistische Terrormiliz, die sich von der Terrororganisation Al Qaida abspaltete und kämpft dafür, ein islamisches Kalifat gemäß ihrer religiösen Vorstellungen zu errichten. Tausende Kämpfer aus der ganzen Welt wanderten nach der Ausrufung des Kalifats am 29. Juni 2014 durch Abu Bakr al-Bagdad nach Syrien, um das Kalifat zu festigen. Sie eroberten große Teile von Syrien und den Irak und errichteten ein brutales Terrorregime. Die Miliz finanziert sich durch Aneignung der Geldreserven von Staatsbanken in eroberten Gebieten, Raub, Erpressung, Schmuggel und Sklavenhandel.
Nach langen Jahren des Erfolgs wurde der IS im März 2019 nach der Schlacht um Baghus für besiegt erklärt. Tausende IS-Kämpfer sollen im weiten Wüstengebiet Syriens und des Iraks untergetaucht sein. Es ist davon auszugehen, dass der IS in Syrien immer noch über Anführer, Kämpfer, Unterstützer und Ressourcen verfügt, sodass diese Terrororganisationen eine relevante destabilisierende Rolle im Syrienkonflikt spielt.
Ahrar al-Sham
Eine 2011 gegründete und nach Expertenmeinung von der Türkei und den Golfstaaten finanzierte Rebellengruppe mit salafistischer Ausrichtung, die sich jedoch dem Westen als moderat präsentiert. Sie hält derzeit vor allem Gebiete im Norden Syriens in der Provinz Idlib. Sie kooperiert militärisch mit der Nationalkoalition, ist aber kein Teil von ihr.
Fatah al-Sham
Die ehemalige Al-Nusra-Front, ist eine der Al Qaida entsprungene jihadistische Organisation, die in Syrien ein islamisches Emirat errichten will. Die Vereinigten Staaten stufen Fatah al-Sham als Terrororganisation ein.
Viele Internationale Akteure mischen im syrischen „Bürger“-Krieg mit – aus ganz unterschiedlichen Interessen: militärischen, religiösen, wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen. Auf Seiten der Opposition sind die westlichen Staaten, die USA, die Türkei und die Golfstaaten Saudi Arabien sowie Katar aktiv. Sie vertreten unterschiedliche nicht nur teils konträre Ziele, vielmehr sind die Beziehungen der Länder untereinander sehr spannungsgeladen. So unterstützen die USA die syrischen Kurden und ihre Kampfeinheiten, während die Türkei genau diese Einheiten als Terroristen bekämpft. Saudi-Arabien hat Katar nicht nur politisch isoliert und die diplomatischen Beziehungen unterbrochen. Es bezichtigt Katar, den islamistischen Terrorismus zu finanzieren.
Saudi-Arabien will zwar den Einfluss des schiitischen Iran in Syrien brechen, möchte allerdings auf keinen Fall die Rolle der Muslimbruderschaft dort stärken. Genau dies ist aber im Interesse der Türkei, da die Muslimbrüder eine eher pro-türkische Politik vertreten. Die Türkei will allerdings auf keinen Fall die Position der Kurden stärken, da dies die Autonomiebestrebungen der türkischen Kurden manifestiert. Die syrischen Kurden sind jedoch die wichtigsten Alliierten der USA in Syrien. Die USA aber auch andere westliche Staaten verfolgten seit Ausbruch des Krieges das Ziel, Assad und sein Regime abzulösen. Dahinter steckt die Hoffnung, das Regime wird durch ein dem Westen gegenüber freundlicheres System ersetzt,welches sich von Russland abwendet. Problematisch ist nur, dass derzeit neben den Kurden kaum eine relevante Gruppe im Syrienkonflikt pro-westlich geschweige denn demokratisch ist.
Die wichtigsten Verbündeten des Regimes sind Russland, Iran und China. So haben Russland und China ihr Vetorecht mehrfach im Sinne Assads im Weltsicherheitsrat eingesetzt. Während China
prinzipiell kein Interesse am Regimewechsel hat, ist Assad für Russland der wichtigste geostrategische Verbündete im Vorderen Orient, der ihm den Zugang zum Mittelmeer in Form einer Marinebasis gewährt. Syrien ist seit dem Irak-Iran-Krieg zwischen 1980-1988 ein verbündeter des Iran. Dieses Bündnis garantiert dem Iran den Zugang zum arabisch-israelischen Konflikt, was die Regionalmacht des Iran unterstreicht und die sogenannte „Widerstandsachse“ zu der Iran, Syrien, Hisbollah, Hamas und andere Gruppen gehören, stärkt. Viele dieser Gruppen haben Kämpfer nach Syrien geschickt und stützen das Regime dort. Dazu kommt, dass zwischen dem Iran und insbesondere Saudi-Arabien u.a. in Syrien ein Stellvertreterkrieg stattfindet.
Die syrische Zivilgesellschaft im international geführten «Bürger»-Krieg
Im März 2011 erhob sich – wie schon in Tunesien, Ägypten, Libyen und Jemen – auch in Syrien eine breite Protestbewegung aus dem Volk. Angeführt von Kräften der Zivilgesellschaft wurde gegen die weitverbreitete Korruption und für Freiheit protestiert. Doch sehr schnell eskalierte die Lage derart, dass die Protestbewegung einen Sturz des Regimes forderte. Mit dem Ausbruch des Krieges in Syrien geriet die Zivilgesellschaft zunehmend zwischen den Fronten. Viele ihrer Vertreter wurden inhaftiert oder gar ermordet. Trotzdem gibt es in Syrien eine starke Zivilgesellschaft, die jedoch derzeit insbesondere im Bereich der humanitären Hilfe und unter Anfeindungen der verschiedenen Kriegsparteien aktiv ist. Eine der bekanntesten syrischen Aktivistengruppe sind die Weißhelme. Sie erhielten im Jahr 2016 den „Alternativen Nobelpreis“, ihr Vorsitzender, Raed Saleh, bekam den „Deutsch-französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“, ein Kurzfilm über die „Weißhelme“ erhielt 2017 einen Oscar. Die Bundesregierung hat die „Weißhelme“ bislang mit mindestens 7 Mio. Euro unterstützt.
Die hohe Dynamik des syrischen Konflikts und die damit einhergehende ständige Verschiebung der Einflussgebiete erschweren die Arbeit der Zivilgesellschaft erheblich, da sie oft von den gegnerischen Konfliktparteien vereinnahmt bzw. angefeindet wird. Sowohl die Demokratiebewegung als auch die Menschenrechtsbewegung sind die klaren Verlierer des Krieges in Syrien. Die meisten ihrer Vertreter wurden ermordet, sind geflohen oder desillusioniert.
Links
Grabungen in Androna
Die auferstandenen Götter (NZZ)
Syrien (Deutsche Welle)
Syrien (Qantara.de)
Die Texte stammen vom Länderportal der GIZ, welches vom Netz genommen ist. Verfasser ist Marwan Abou Taam. Die Urheber wurden informiert, dass auf meiner Tourismusseite für Syrien die Inhalte veröffentlicht werden.